Ausschuss-Sitzungen: Öffentlich oder Nichtöffentlich

Ausschuss-Sitzungen: Anspruch und Wirklichkeit.

Ausschuss-Sitzungen öffentlich oder nichtöffentlich. Ist Transparenz ein Wesenselement in unserem demokratischen Verständnis? Wie gehen wir im Ausschuss-Alltag mit diesem Thema um?

§ 64 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) – Öffentlichkeitsprinzip. Die Behandlung von kommunalen Themen in unseren städtischen Ausschuss-Sitzungen ist – abgesehen von wenigen Ausnahmen – grundsätzlich öffentlich abzuhalten. Das Prinzip der Öffentlichkeit ist ein elementarer Grundsatz des niedersächsischen Kommunalrechts. Somit ist es eine tragende Säule unserer kommunalen Demokratie. Soweit die gesetzliche Vorgabe.

§64 Öffentlichkeit der Sitzungen

(1) 1 Die Sitzungen der Vertretung sind öffentlich, soweit nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner den Ausschluss der Öffentlichkeit erfordern. 2 Über einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit wird in nicht öffentlicher Sitzung beraten und entschieden; wenn keine Beratung erforderlich ist, kann in öffentlicher Sitzung entschieden werden.

(2) 1 In öffentlichen Sitzungen sind Bildaufnahmen zulässig, wenn sie die Ordnung der Sitzung nicht gefährden. 2 Film- und Tonaufnahmen von den Mitgliedern der Vertretung mit dem Ziel der Berichterstattung sind in öffentlicher Sitzung nur zulässig, soweit die Hauptsatzung dies bestimmt. 3 Abgeordnete der Vertretung können verlangen, dass die Aufnahme ihres Redebeitrages oder die Veröffentlichung der Aufnahme unterbleibt.

Quelle:
§64 NKomVG

 

Welches Ziel wird mit diesem Grundsatz verfolgt?

Unsere Bürger*innen sollen sich über unsere Entscheidungen in den Ausschüssen und im Rat unmittelbar informieren können. Für alle Einwohner*innen unserer Stadt soll der Meinungs- und Willensbildungsprozess der von uns gewählten Ratsmitglieder transparent und nachvollziehbar sein. Im besten Fall stärkt dies das Vertrauen in die Vareler Politik. Unsere Bürger*innen können die Entscheidungen ihrer gewählten Vertreter sachgerecht und kritisch verfolgen. Es ist für unsere Bürger*innen im Grunde eine Möglichkeit, unsere Tätigkeit im Rat und in den Ausschüssen zu kontrollieren, zu begleiten und ggf. mitzuwirken.

Demokratische Legitimation, demokratische Kontrolle und demokratische Partizipation lassen sich nur durch die öffentliche Behandlung der kommunalen Themen in unseren Ausschüssen verwirklichen.

Öffentlichkeitsprinzip – inwiefern bestimmt dieses Prinzip unsere Sitzungen?

Im Wesentlichen bedeutet das, dass wir Ratsmitglieder die Ausschussinhalte möglichst im öffentlichen Teil der Sitzungen besprechen und auch öffentlich über Beschlüsse abstimmen. Vor jedem Beschluss muss eine vorherige Aussprache der Ausschuss- oder Ratsmitglieder möglich sein. Unterbindet man diese Aussprache, so ist dies schon ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. Jedes Gremienmitglied hat das Recht auf einen angemessenen Redeumfang. Es soll damit seinen Meinungs- und Willensbildungsprozess der Vareler Bevölkerung nachvollziehbar darzustellen. Besteht seitens der Gremienmitglieder kein Bedarf, so muss eine Debatte oder Aussprache nicht stattfinden und es kann eine Abstimmung erfolgen.

Also ist jedes Ratsmitglied im Grunde selbst dafür verantwortlich, ob und in welcher Form es an dem Willensbildungsprozess in unseren Gremien mitwirkt.

Die Behandlung einzelner Themen im nichtöffentlichen Teil einer Ausschuss- oder Ratssitzung ist nur im Ausnahmefall möglich. Hier setzt uns das NKomVG Grenzen. Es gibt strenge Maßstäbe, die wir Ratsmitglieder uns immer wieder vor Augen führen müssen, da alle gefassten Beschlüsse, die das Öffentlichkeitsprinzip verletzen, rechtswidrig und somit nichtig sind.

Wir sollten den Bürger*innen ein umfassendes Bild unserer politischen Zusammenhänge ermöglichen und sie breit informieren. Daher sollen Ausschuss-Sitzungen öffentlich und nur im Ausnahmefall nichtöffentlich sein!

Wann ist der Ausschluss der Öffentlichkeit möglich?

Die Öffentlichkeit kann nur ausgeschlossen werden, wenn das öffentliche Wohl und/oder das berechtigte Interesse Einzelner gefährdet ist. Diese beiden Begrifflichkeiten können wir nicht selbst definieren, sondern es handelt sich hierbei um unbestimmte Rechtsbegriffe, für deren Anwendung jeweils eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist. Der Gesetzgeber macht es der Verwaltung und den politischen Gremien sehr schwer, Sachverhalte im nichtöffentlichen Teil zu beschließen.

Öffentliches Wohl besteht dann, wenn Interessen und Belange des Bundes, des Landes, der Gemeinde, anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder der örtlichen Gemeinschaft durch eine öffentliche Behandlung gefährdet werden können.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 19.3.2001 (Nds. GVBL S.112} bedarf der Ausschluss der Öffentlichkeit stets einer Beratung und Entscheidung durch die Vertretung im Einzelfall.
Siehe auch Kommentare zum § 64 NKomVG (z.B. Thiele oder KVR Nds/NKomVG/ November 2011 –Blum; Ausschließungsgründe, Einzelfälle)

Wie behandeln wir komplexe Beratungsgegenstände?

Sofern bei komplexen Beratungsgegenständen öffentlich zu behandelnde und geheim zuhaltende  Elemente vorliegen, sind diese in einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil zu trennen. Ist bei der Aufstellung der Tagesordnung (TO) zweifelhaft, ob eine Trennung möglich ist, muss man Entscheiden. Kommt der Tagesordnungspunkt zunächst in den öffentliche Teil der TO besteht jederzeit die Möglichkeit diesen in den nochtöffentlichen Teil zu verschieben. Die vollständige oder teilweise Verschiebung in den nichtöffentlichen Teil ist erforderlich, wenn persönliche Informationen von Dritten besprochen werden müssen. Oftmals reichen aber bereits die Anonymisierung der Vorlagen und ein entsprechendes Verhalten der zu dem Tagesordnungspunkt Sprechenden aus, um eine Beratung im öffentlichen Teil zu ermöglichen.

Was beutet dies für uns als Ratsmitglieder?

Sind wir uns als Entscheidungsträger nicht sicher, ob ein Sachverhalt im  öffentlichen oder nichtöffentlichen Teil einer Sitzung zu debattieren ist, müssen wir für den Fall  der Beratung eines Sachverhaltes im nichtöffentlichen Teil kritisch nachfragen, nach welchen Kriterien die Nichtöffentlichkeit festgesetzt wird. Dies gilt Insbesondere im Rahmen des Datenschutzes. Hier müssen wir sehr aufmerksam schauen, ob es möglich ist, Sachverhalte ohne die Verletzung von Persönlichkeitsrechten im öffentlichen Teil einer Sitzung zu erörtern. Wir müssen aktiv für das Öffentlichkeitsprinzip eintreten – auch wenn es für uns persönlich in dem einen oder anderen Fall „unangenehm“ ist. Wir uns z.B. um unseren Ruf fürchten oder sonstige Nachteile für unser Privat- oder Berufsleben annehmen. Sollten wir zum Schluss kommen, dass der Tagesordnungspunkt in den öffentlichen Teil gehört, ist dieser von der Tagungsordnung zu streichen. Dann muss er bei der nächsten Sitzung erneut im öffentlichen Teil aufgenommen werden.

Ein Übergang eines Tagesordnungspunktes in die nichtöffentliche Sitzung ist jederzeit möglich – umgekehrt nicht!

Haben die Bürger*innen auch ein Recht zu erfahren, welche Sachverhalte im nichtöffentlichen Teil behandelt werden?

Ein konkreter Rechtsanspruch besteht nicht. Die nichtöffentlichen Tagungspunkte können/dürfen auf der Tagungsordnung stehen, müssen es aber nicht.

Aber wir sollten bedenken:

Demokratie kann nur funktionieren, wenn die einzelnen politischen Positionen im Rahmen der Beratungen in unseren Ausschüssen sichtbar gemacht werden. Nur so schaffen wir es, unsere Positionen für die Öffentlichkeit verständlich, nachvollziehbar und damit auch kontrollierbar zu gestalten. Dadurch wird unzulässige Einwirkungen persönlicher Beziehungen unterbunden. Zudem wird der Anschein vermieden, dass hinter verschlossenen Türen unsachgemäße Motive für die von uns getroffenen Entscheidungen maßgebend gewesen sein könnten. Mit Transparenz in unseren Beratungs- und Abwägungsprozessen können wir das Interesse unserer Bürger*innen am kommunalpolitischen Geschehen wieder wecken und die Bereitschaft zum kommunalpolitischen Engagement fördern.

Transparenz wagen und zu unseren Wahlversprechen der Bürgernähe stehen!

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7 Kommentare zu „Ausschuss-Sitzungen: Öffentlich oder Nichtöffentlich“

  1. Sehr geehrte Frau Busch,
    nun bin ich nicht aus Varel, habe aber mit großem Interesse Ihren Artikel gelesen. Ich bin da auch völlig ihrer Meinung, sehe aber auch das dies in vielen Kommunen nicht wirklich gut (demokratisch) gehandhabt wird.
    Seit einiger Zeit können wir die Gemeinderatssitzungen online vorab lesen und auch die Protokolle sind verfügbar.
    Nun sehe ich auch zumindest die Anzahl der Nichtöffentlichen Tagesordnungspunkte und ich habe mir mal die Mühe gemacht zu zählen und wollte mal ihre Meinung hören ob dies eher gut oder weiniger gut aussieht.
    Wenn ich die Regel-Tagesordnungspunkte (also ohne Beschlussvorlage) abziehe, stellt sich bei Gemeinderat hier vor Ort folgendes dar:
    2019 : 10 Top öffentlich und 13 Top nicht-öffentlich – 2020 : 15 Top öffentlich und 13 nicht-öffentlich.

    Für mich sieht das grundsätzlich etwas „schief“ aus – kann man etwas tun um dort Klarheit zu schaffen, ohne das es dem Ehrenamtlichen gleich einen Vorwurf macht?

    Danke für einen Tipp und Gruß

    1. Hallo Herr Gerdts,

      bei allen Nicht-öffentlichen teilen muss die Verwaltung prüfen, ob teile eines Tagesordnungspunktes auch im öffentlichen Teil behandelt werden kann. In diesem Fall muss der Tagesordnungspunkt in einen öffentlichen und nichtöffentlichen Teil geteilt werden. Zumindest ist das in Niedersachsen so geregelt.

      Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass es so viele nichtöffentliche Belange/Beschlüsse im Regelfall gibt. Bei gehäuften Ausschuss-Vorlagen (mit Entscheidungs-Charakter) würde ich als Rats- und Ausschuss-Mitglied in jedem Fall mir die rechtliche Begründung von der Verwaltung geben lassen, warum die jeweilige Vorlage in den Nichtöffentlichen Teil gehört und warum man keine Teilung in öffentlich und nichtöffentlich vornimmt.

      Manchmal kommt es vor, dass Verwaltung und auch einige Ratsmitglieder sich zunächst im nichtöffentlichen Teil einen ersten Eindruck über einen Sachverhalt machen möchten. Dieses ist ganz legitim und hat auch nichts mit Verhandlung hinter verschlossenen Türen zu tun. In der Regel geht es in diesen Fällen darum, auch erste Fragen zu stellen, ohne darauf zu achten, ob ggf. Rechte Dritter verletzt werden können. Beschlüsse sollten dann noch nicht gefasst werden. Es ist sinnvoll, wenn bestimmte Sachverhalte im nicht-öffentlichen Teil den Ausschussmitgliedern zur Kenntnis gegeben werden und sie darüber Informationen erhalten, wann die entsprechende Vorlage in die öffentliche Sitzung kommt und welcher Aspekt dann ggf. zusätzlich in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden muss.

      Dieses Verfahren halte ich für akzeptabel, da es einerseits eine unbefangene offene Frage-Möglichkeit seitens der Gremienmitglieder ermöglicht wird und andererseits zu einer großen Transparenz für Bürger*innen führt – ohne das berechtigte Interesse Einzelner zu gefährden.

    1. Bürger*innen können im öffentlichen Teil einer Ausschusssitzung Fragen stellen. Hierfür gibt es die Einwohnerfragestunde. In Niedersachsen ist dieses im § 62 NKomVG – Einwohnerfragestunde, Anhörung geregelt. Normalerweise hat jede Gemeinde/Stadt die die Einwohnerfragestunde in der jeweiligen Geschäftsordnung des Rates geregelt (diese müsste über das Bürgerinformationssystem der Kommune abrufbar sein). Jede/r Bürger*innen kann somit zu allen Punkten/Angelegenheiten der Kommune, die die jeweilige Gemeinde betreffen, Fragen stellen. Auch wenn diese nicht Gegenstand des jeweiligen Ausschusses sind.

      Manchmal können die gestellten Fragen nicht sofort beantwortet werden, dann wird die Antwort im öffentlichen Teil des Protokolls hinterlegt. Wichtig: es handelt sich um eine Fragestunde! Es muss also von den Bürger*innen eine konkrete Frage gestellt werden. Viele Menschen geben Statements ab und sind dann häufig enttäuscht, wenn diese von den Ausschuss-Vorsitzenden unterbunden oder abgebrochen werden.

      § 62 NKomVG
      (1) Die Vertretung kann bei öffentlichen Sitzungen Einwohnerinnen und Einwohnern ermöglichen, Fragen zu Beratungsgegenständen und anderen Angelegenheiten der Kommune zu stellen
      (2) Die Vertretung kann beschließen, anwesende Sachverständige und anwesende Einwohnerinnen und Einwohner einschließlich der nach § 41 von der Mitwirkung ausgeschlossenen Personen zum Gegenstand der Beratung zu hören.
      (3) Einzelheiten regelt die Geschäftsordnung.

      1. Michael Heinschke

        Trifft ein Ausschluss der Öffentlichkeit bei einer Sitzung eines Jugendhilfeausschusses auch die Ausschuss-Mitglieder, die mit beratender Stimme ausgestattet sind?

        1. Hallo Herr Heinschke,

          Der Ausschuss für Jugendhilfe ist ein Pflichtausschuss gemäß den Bestimmungen der §§ 70 und 71 des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII). Gemäß § 71 (7) des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) werden in der Regel die Rechte der beratenden Mitglieder in Ausschüssen geregelt.

          Beratende Mitglieder in Ausschüssen werden bei ihrer Bestellung ähnlich wie Ratsmitglieder insbesondere hinsichtlich ihrer Mitwirkungspflicht und Vertraulichkeit verpflichtet. In der Regel steht einer Teilnahme am nicht-öffentlichen Teil der Sitzung nichts entgegen. Es ist jedoch möglich, dass in der Satzung oder Geschäftsordnung der jeweiligen Kommune weitere Bestimmungen dazu festgelegt sind. Diese sollten geprüft werden. Wenn Sie von der Teilnahme an der nicht-öffentlichen Beratung durch die Kommune oder die Vorsitzende Person des Ausschusses ausgeschlossen werden, sollten Sie eine schriftliche Begründung verlangen, in der die Rechtsgrundlage für den Ausschluss angegeben wird.

          Ich werde diesen Punkt aber noch einmal recherchieren.

          Beste Grüße
          Sigrid Busch

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