Deutschlands Notfallrettung: Ein System in der Krise

Befindet sich die deutsche Notfallrettung in einer Systemkrise? Die Bundesrepublik Deutschland kommt ihrem Auftrag zur medizinischen Notfallversorgung nicht ausreichend nach. Ein aktuelles Gutachten, vorgestellt am 18. Juli 2024, enthüllt Handlungsbeadrfe im deutschen Rettungswesen.

Ein Blick hinter die Kulissen der Notfallrettung in Deutschland

Die Notfallrettung ist das Herzstück der medizinischen Erstversorgung in Deutschland. Doch wie gut funktioniert dieses lebenswichtige System tatsächlich? Ein Gutachten des renommierten früheren Bundesverfassungsrichters Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, in Auftrag gegeben von der Björn Steiger Stiftung, wirft ein ernüchterndes Licht auf die aktuelle Lage: Deutschlands Rettungswesen scheint in einer Systemkrise zu stecken.

Notfallrettung in Deutschland: Eine Systemkrise ?

Dramatisch gestiegene Fallzahlen und Qualitätsmängel

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Fallzahlen in der Notfallversorgung sind in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Was früher als System für akute Notfälle gedacht war, wird zunehmend für einfache Erkrankungen genutzt. Dies überlastet die vorhandenen Ressourcen und führt zu einer unzureichenden Versorgung in echten Notfällen.

Doch damit nicht genug. Die Ausstattung der Rettungsfahrzeuge und die Funktionsweise der Leitstellen sind oft unzureichend. Besonders problematisch sind die Länge und die Berechnung der Hilfsfristen, die in vielen Fällen nicht den erforderlichen Standards entsprechen. Hinzu kommen erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten.

Verfassungsrechtliche Pflichten des Staates

Das Gutachten stellt klar: Der Staat hat eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, ein funktionierendes Rettungsdienst-System sicherzustellen. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Grundrecht auf Leben und Gesundheit. Es steht außer Frage, dass ein ausreichender Schutz der Bevölkerung nicht gewährleistet ist, wenn Notfallpatienten nicht schnell lebensrettende Hilfe erhalten oder wenn Verletzte und andere Hilfsbedürftige nicht zügig und fachgerecht transportiert werden.

Aufsplitterung der Zuständigkeiten: Ein Grundproblem

Einer der Hauptgründe für die bestehenden Defizite liegt in der Aufsplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Obwohl der Bund über die gesetzgeberische Kompetenz zur Qualitätssicherung verfügt, wird die Notfallrettung überwiegend durch die Länder organisiert und finanziert. Diese indirekte Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen führt zu erheblichen Qualitätsunterschieden.

Die bisherigen Bemühungen der Länder, die Parameter des Rettungsdienstes so zu gestalten, dass sie ihren haushaltspolitischen Budgets entsprechen, gehen oft zu Lasten der Qualität. Dies verletzt den Anspruch der Bürger auf gleiche Leistungen, besonders der gesetzlich Krankenversicherten.

Forderungen der Björn Steiger Stiftung

Pierre-Enric Steiger, Präsident der Björn Steiger Stiftung, sieht sich durch das Gutachten in seiner Meinung bestätigt. Die Stiftung fordert ein umfassendes politisches Umdenken und die Einführung einheitlicher nationaler Standards für die Notfallrettung. Nur so könne die Effizienz des Systems auf international anerkannte Standards gebracht werden. Insbesondere die Qualität der Rettung dürfe nicht von Zufällen abhängen, sondern müsse stets höchsten Standards entsprechen.

„Seit Jahren bemängelt die Björn Steiger Stiftung, dass das Rettungswesen in Deutschland weit hinter internationalen Standards zurückbleibt. Der Staat kommt hier seiner Schutzpflicht nicht nach, und es stellt sich die Frage, ob das Handeln der Länder noch verfassungskonform ist.“
Pierre-Enric Steiger
Präsident der Björn Steiger Stiftung

Ein Appell an uns Politikerinnen und Politiker

Das Gutachten und die Forderungen der Björn Steiger Stiftung sollten ein Weckruf für alle Politikerinnen und Politiker sein. Egal, ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene. 

Es bedarf dringender Maßnahmen, um die Notfallrettung in Deutschland zu reformieren und sicherzustellen, dass jeder Bürger im Notfall die bestmögliche Versorgung erhält. Die Einführung einheitlicher Standards, eine bessere Ausstattung und Organisation der Rettungsdienste sowie eine klarere Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sind unerlässlich, um Leben zu retten und weiterhin die Gesundheitsversorgung auch hier bei uns im Landkreis Friesland zu gewährleisten.

Reform des Rettungswesens im Einklang mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen

Die Reform des Rettungswesens in Deutschland leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung mehrerer SDGs. Eine effiziente und gerechte Notfallrettung bildet den Grundpfeiler für eine nachhaltige Entwicklung und ein gesundes Leben für alle.

Ziel:
Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.

Bezug:
Eine effektive Notfallrettung ist entscheidend für die Gesundheitsversorgung. Verbesserte Standards und Ausrüstungen im Rettungswesen tragen zur Verringerung von Todesfällen und Verletzungen bei und fördern ein allgemeines Wohlbefinden.

Ziel:
Ungleichheiten innerhalb und zwischen Ländern verringern.

Bezug:
Einheitliche Standards und bessere Organisation des Rettungswesens reduzieren die Qualitätsunterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sowie zwischen den Bundesländern, was zu einer gerechteren Gesundheitsversorgung führt.

Ziel:
Modernisierte Ausrüstungen und Technologien im Rettungswesen stärken die Infrastruktur der Gesundheitsversorgung und fördern Innovationen, die lebensrettend sein können.

Bezug:
Einheitliche Standards und bessere Organisation des Rettungswesens reduzieren die Qualitätsunterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sowie zwischen den Bundesländern, was zu einer gerechteren Gesundheitsversorgung führt.

Ziel:
Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zu Justiz gewährleisten und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen.

Bezug:
Eine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und die Einführung einheitlicher Standards schaffen leistungsfähige und rechenschaftspflichtige Institutionen im Rettungswesen, die zum Vertrauen in die öffentliche Gesundheitsversorgung beitragen.

Ziel:
Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen.

Bezug:
Eine gut organisierte und ausgestattete Notfallrettung trägt zur Sicherheit und Widerstandsfähigkeit von Städten und Gemeinden bei, indem sie in Notfällen schnell und effizient reagieren kann.

Ziel:
Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.

Bezug:
Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Ausstattung im Rettungswesen sorgt für menschenwürdige Arbeit der Rettungskräfte und kann gleichzeitig die Effizienz und Produktivität im Gesundheitssektor steigern.

Ziel:
Armut in all ihren Formen und überall beenden.

Bezug:
Ein gut funktionierendes Rettungswesen kann insbesondere benachteiligte und arme Bevölkerungsgruppen unterstützen, indem es ihnen im Notfall den gleichen Zugang zu lebensrettenden Maßnahmen bietet.