Foto von 2396521 auf Pixabay

Endlagersuche – Wohin mit dem Atommüll

Erste bundesweite öffentliche Beteiligungsmöglichkeit war am 5-7.02.2021

„Wohin mit dem Atommüll?“ ist die zentrale Frage bei der Endlagersuche. Eine alte Frage, die viele von uns allzu gerne bei seite schieben. Es geht um unser größtes Umweltproblem. Und es geht um ein neues bundesweites Beteiligungsexperiment für Bürger:innen. Diese sollen nicht nur mitreden, sondern ihre Beteiliung auch selbst organisieren und gestalten. Statt einer großen Debatte und Jubel über diese Beteiligungsmöglichkeit, gab es in unserer Region rund um den Jadebusen kaum etwas von diesem Termin zu hören oder zu lesen.

 

Ein neues Beteiligungsformat zur Endlagersuche, welches eigentlich größte politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen müsste, geht bei uns einfach unter! Ein kurzer Aufschrei in den Medien von ein paar Insulanern verhallte. Ebenso wie meine Nachfrage zum Sachstand und zur möglichen Begleitung der Endlagersuche durch die Verwaltung sowie durch die politischen Gremien unserer Stadt. Man wird sich schon kümmern, wenn es etwas Wichtiges gibt“, kam mir als Antwort entgegen. Eine breite Medienkampagne, um auf diese Fachkonferenz hinzuweisen, gab es hier nicht!

Auch wir sind von der Endlagersuche stark betroffen

In unserer Küstenregion gibt es mindestens acht potenzielle Teilgebiete[1], trotzdem wird die Endlagersuche von der breiten Bevölkerung, der Verwaltung sowie den politischen Gremien kaum registriert und diskutiert. Daher habe ich bei meinem Parteikollegen Stefan Wenzel (MdL) nachgefragt, ob wir Grünen eine breite öffentliche politische Debatte zur Endlagersuche in Ost-Friesland und Rund um den Jadebusen führen sollten. Seine Einschätzung dazu:

[1] Wirtsgestein: Salzstein in steiler Lagerung

„Ich kann das nur empfehlen. Besser früh als zu spät. Die Niedersachsen haben zudem mehr know how einzubringen, als die meisten anderen Bundesländer. Das muss auch nicht jede Gemeindeverwaltung einzeln machen. In Bayern haben bspw. neun Landkreise und drei Städte einen Koordinator bestimmt, der den Prozess begleitet und die Interessen einbringt und Informationen zurück spiegelt.“ (Stefan Menzel 10.02.2021)

Auch unsere atompolitische Sprecherin Miriam Staudte (MdL) bestätigte mir, dass den Akteuren hier vor Ort eine wichtige Rolle zukommt:

„Klar ist: Keine Region möchte ein Endlager. Doch es ist es grundsätzlich richtig, dass eine neue Standortsuche gestartet wurde. Es ist eine nationale Aufgabe, die bestmögliche Sicherheit für die Lagerung des hochradioaktiven Atommülls zu erreichen. Ich sehe die Regionen, die weiter im Verfahren sind, als eine Art Wächter des Verfahrens. Um den bestmöglichen Standort zu identifizieren, brauchen wir das bestmögliche Verfahren. Das Standortauswahlverfahren muss wissenschaftsbasiert, transparent, nachvollziehbar, partizipativ und ergebnisoffen verlaufen. Deswegen müssen die betroffenen Regionen jeden Entscheidungsschritt überprüfen und nachvollziehen können.

 

Einige Landkreise wie der Kreistag Lüneburg haben extra einen Begleitausschuss für die Endlagersuche eingerichtet. Das ist ein gutes Instrument, um sich gegenseitig auf dem aktuellen Stand zu halten und zu erörtern, wo man nachhaken muss. Es sollte nicht um Blockade gehen, aber eben um ein wachsames Auge auf den Prozess. Das Land Niedersachsen stellt für die Kommunen auch Finanzmittel in Höhe von insgesamt 600.000€ bereit.“ (Miriam Staudte 11.02.2021)

Es ist ja noch so viel Zeit, damit brauchen wir uns jetzt noch nicht zu beschäftigen, höre ich viel von örtlichen Kommunalpolitikern. Wir können uns doch später immer noch einbringen!  

Aber: Jetzt ist die Zeit, in der wir den Endlagersuchprozess mitgestalten können!

Das Standortauswahlverfahren befindet sich noch in einer frühen Phase. Bislang sind 54 Prozent der Bundesrepublik als potentiell geeignet ausgewiesen. Viele dieser Gebiete werden in den nächsten Verfahrensschritten herausfallen müssen.

 

Trotzdem geht es von Anfang an darum, möglichst viel örtliches Know-how in das Verfahren einzubringen und die Arbeit der Bundesgesellschaft für Endlagerung zu überprüfen. Jetzt wird der Rahmen für die Endlagersuche abgesteckt. Auch bei der ersten Fachkonferenz wurde deutlich, dass die teilnehmenden Bürger:innen, Kommunen, Verbände und Wissenschaftler:innen ihren kritischen Blick nicht nur auf die von der BGE benannten Teilgebiete richten wollen, sondern dass die Kriterien und die Umsetzung der Suche insgesamt hinterfragt werden.“ (Miriam Staudte 11.02.2021)

Warum sollten sich Bürger:innen, Verwaltung und Kommunalpolitik in den Endlagersuchprozess überhaupt einmischen?

„Die Erfahrungen von Gorleben, Asse und Konrad zeigen: Die Betroffenen vor Ort sind die wahren Wächter:innen des Verfahrens. Betroffenheit ist die größte Motivation. Die Erfahrung zeigt, dass Einige sich immer so tief in die Materie einarbeiten, das sie problemlos mit den professionell Zuständigen auf Augenhöhe diskutieren können. Transparenz und Beteiligung dienen der Qualitätsverbesserung des Verfahrens. Egal wo das Endlager hinkommt, es muss in unser aller Interesse sein, dass es der bestmögliche Standort wird. Wer weiß schon, wo unsere Kinder und Kindeskinder einmal leben werden, ob in Bayern oder Niedersachsen? Es geht schließlich um eine Million Jahre – also ca. 35.000 Generationen“ (Miriam Staudte 11.02.2021)

Sich informieren, mitreden, Fragen stellen, Antworten suchen, selbst handeln und die eigene Expertise einbringen.

Ich persönlich glaube, dass uns noch ein harter langer Weg zum atomaren Endlager bevorsteht. Viele Menschen vertrauen diesem Prozess nicht, haben Zweifel, Ängste, Bedenken, offene Fragen und suchen Antworten. Um Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen, brauchen wir daher Orte der Information und auch Ansprechpartner:innen hier in und für unsere Stadt. Nicht jede Gemeinde oder Stadt sowie jeder Landkreis hat die personellen und fachlichen Möglichkeiten entsprechende Unterstützung zu bieten. Aber dennoch haben zumindest Politik und Verwaltung die Verantwortung und die Aufgabe, diesen Suchprozess öffentlich wirksam mitzugestalten. Wir dürfen uns nicht wegducken und hoffen, dass dieser Kelch an uns vorüberzieht.

 

Deswegen finde ich den Ansatz aus Lüneburg oder verschiedener Kommunen in Bayern, kommunalübergreifende Begleitausschüsse zu bilden, auch vorbildhaft für unsere Region. Nur auf das niedersächsische Begleitforum Endlagersuche zu setzen reicht mir nicht aus. Zumal das Land Niedersachsen auch Begleitprozesse vor Ort finanziell unterstützt.

 

Ein Antrag zum Thema öffentliche Beteiligung in der Endlagersuche für unseren Vareler Ausschuss für Stadtentwicklung, Planung und Umweltschutz ist schon geschrieben. Auch die Bitte an unsere Kreistagsfraktion, diesen Antrag auf Landkreisebene zu besprechen und zu unterstützen.

Die Fachkonferenz am ersten Februarwochenende

Am 05. Februar startete nun die Öffentlichkeitsbeteiligung, um den sichersten Standort für die Lagerung von hochradioaktive Abfälle zu finden. Von den 1.658 Anmeldungen zum 1. Beratungstermin kamen 358 Personen aus Niedersachsen. Im Vorfeld gab es an der virtuellen Konferenz sehr viel Kritik. Auch Stefan Wenzel – Mitglied der ersten Vorbereitungsgruppe – hatte unruhige Momente bis zum Konferenzstart:

„Die Software und die Hardware wurden parallel zur Vorbereitung von einem Dienstleister entwickelt. Nicht alle unsere Anforderungen an Beteiligungs- und Dialogformate konnten dabei realisiert werden, aber die Technik entwickelt sich rasant weiter. Defizite im Vergleich zum persönlichen Gespräch werden sich nicht abstellen lassen, aber gleichzeitig besteht bspw. die Chance den internationalen Stand von Wissenschaft und Technik einzufangen und auch kritische Wissenschaftler und Mitglieder der Zivilgesellschaft aus anderen Teilen der Welt zu hören. Die Möglichkeiten für globale Vernetzung sind enorm gewachsen.

 

Die Vorbereitungsgruppe stand vor mehrfachen Herausforderungen: ein Rechtsanspruch der Bürger:innen auf zeitnahe Beteiligung nach Vorlage des Zwischenberichts der Bundesgesellschaft für Endlagerung und die Bedingungen der Pandemie für Großveranstaltungen. Gebucht war ein Saal für gut 1000 Personen in Kassel. Angemeldet waren am Ende fast 1700 Personen für die digitale Konferenz. Wir alle vermissen im Moment den persönlichen Kontakt und deshalb hätten wir gern eine Konferenz in Kassel ausgerichtet. Es hat sich aber auch gezeigt, dass sich für die digitale Konferenz Menschen anmelden, die an einer Präsenzveranstaltung aus verschiedensten Gründen nicht teilnehmen würden. Zudem hatten wir die Chance Referenten anzufragen, die bspw. in Schottland leben. “ (Stefan Menzel 10.02.2021)

War die selbstorganisierte Konferenz ein mutiger Partizipationsversuch?

Als von den Teinehmer:innen selbst organisierte Fachkonferenz gab es auch die ein oder andere Formalität. Eine große Herausforderung dabei war, sich auf eine Geschäftsordnung zu einigen. Hier gab es etwas länger anhaltende Debatten auf den unterschiedlichen Kanälen. Das Prinzip Mitwirkung hat also funktioniert.

„Ich hatte Sorge, ob die Verständigung auf eine gemeinsame Geschäftsordnung gelingt. Das sind ja quasi die Regeln zum Umgang miteinander, aber auch die Grundlagen für demokratische Standards bei der Meinungsbildung und bei Wahlen. Dass diese Diskussion sehr konstruktiv verlief hat mich beeindruckt. Anschließend konnten wir in die inhaltlichen Kontroversen einsteigen. Dabei war ein Grundsatz, dass unterschiedliche Meinungen zu Wort kommen sollten. (Stefan Menzel 10.02.2021)

Drei aufregende und inputreiche Tage liegen hinter mir. Ein bisschen holprig war die Veranstaltung schon. Die ein oder andere digitale Panne gab es auch, aber insgesamt war es dennoch ein guter Start. Es gab Vorträge, Online-Arbeitsgruppen, Chatmöglichkeiten, virtuelle Räume zum Austausch, eine Pinnwand und weitere digitale Möglichkeiten seine Fragen, Anregungen, Antworten den anderen Teilnehmern mitzuteilen. „Nutzen sie die unterschiedlichen Formate, damit nichts verlorengeht“, wiederholten die vielen Moderatoren fast schon gebetsmühlenartig.

 

Diese Konferenz war ein erstes Abtasten. Details zu den einzelnen Standorten spielten noch keine Rolle. Aber zum Wirtsgestein in unserer Region „Steinsalz in steiler Lagerung“ habe ich viel mitgenommen. Darüber mehr in meinem Blog-Beitrag „Ergebnisse der Fachkonferenz Endlagersuche“.

„Wir Grünen befürworten die neue Endlagersuche, haben jedoch gleichzeitig noch viele Verbesserungswünsche. Die Teilnehmenden der Konferenz haben mehrere Beschlüsse gefasst, die eine Verbesserung der Beteiligungsmöglichkeiten fordern. Nun muss der Bund das Versprechen eines lernenden Verfahrens einlösen und die Forderungen umsetzen:

  • Corona darf die Beteiligungsmöglichkeiten nicht einschränken. Die nächsten Konferenztermine sollen um 2-3 Monate verschoben werden und erst ab Juni stattfinden, wenn hoffentlich auch wieder Präsenz- oder Hybrid-Veranstaltungen möglich sind.
  • Die Öffentlichkeitsbeteiligung in der ersten Phase der Endlagersuche darf nicht wie im Standortauswahlgesetz vorgesehen nach 3 Konferenzterminen enden. Die BGE muss verpflichtet werden, regelmäßig über ihre Arbeit zum Beispiel durch Statuskonferenzen zu informieren und die Beteiligung dazu muss verstetigt werden. Es darf keine Partizipationslücke zwischen der Auswahl von 54% der Bundesfläche und der Festlegung auf vielleicht 8-10 Standortregionen geben.

 

Aus meiner Sicht müssen zudem alle entscheidungsrelevanten Geodaten schnellstmöglich öffentlich zugänglich werden. Das verhindert bislang das sogenannte Geodatengesetz. Hier muss die Große Koalition im Bund nachbessern.“ (Miriam Staudte 11.02.2021)

Das Vorbereitungsteam hat Enormes geleistet, um eine ursprünglich geplante Präsenztagung in eine digitale Veranstaltung mit vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten umzuwandeln. Für mich war das Format gut, da ich sonst nicht an der Konferenz hätte teilnehmen können.  Auf jeden Fall bin ich gespannt, was mit den Ergebnissen dieser ersten Konferenz passiert.

 

Für die nächsten Fachkonferenzen gibt es in jedem Fall noch viel zu tun. Ich werde wieder dabei sein! Ich werde auch weiterhin meine Freiheit nutzen, viel zu fragen, selbst zu denken, mich zu beteiligen und zu handeln.

 

Vielleicht treffen wir uns bei der nächsten Konferenz!

2 Kommentare zu „Endlager“

  1. Hallo Sigrid Busch,

    Das ist ja eine tolle, umfangreiche Seite.
    Auf der Kreisgrünen Homepage hab ich die Atomkraft etwas vermißt.
    Ich kann nicht immer klar erkennen, was von BGE und was von Dir ist.

    Zu mir:
    Ich bin von den Linken im Zeteler Gemeinderat und mit den Grünen in einer Gruppe.
    Durch meine Partnerin Marianne Neugebauer bin ich zu AG Schacht Konrad gekommen.
    Sie hat auch auf der Bockhorner Klimademo am 22.10. gesprochen. Nur kommt davon leider nichts in die Presse und auf die homepages der Organisatoren.
    Zusammen waren wir am 18.November auch auf der Kreisumweltausschusssitzung FRI/WTM in Jever. Pressereihe war fast leer. Nix in NWZ.

    Ich möchte das Thema Atom hier in der Region am Laufen halten und aufpassen, das es nicht gegen das Klima ausgespielt wird. Siehe EU.
    Grüße

    Uwe Koopmann
    Astederfeld

    1. Hallo Uwe Koopmann,

      danke für Deine Rückmeldung und wir sollten uns in jedem Fall austauschen.

      Die Daten sind von der BGE und von mir anders aufbereitet ebenso sind die Grafiken von mir. Zusätzlich habe ich meine Mitschriften/Gedanken aus den AGs der Öffentlichkeitsbeteiligung mit eingebaut. Präsentationen einzelner Vortragender habe ich verlinkt. Zu einzelnen Punkten hatte ich Kontakt mit Stefan Wenzel und Miriam Staudte kontakt aufgenommen, deren Zitate sind gekennzeichnet.

      Ich denke auch, das wir dieses Thema weiter am laufenden halten müssen. Waren Sie auch Teilnehmer der Fachkonferenzen und sind mit im Mailings/Vernetzungs-Verteiler? Wenn nicht, dann senden Sie mir doch eine E-Mail und Sie erhalten von mir die Verteiler Adresse zugesandt.

      Beste Grüße
      Sigrid Busch

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert